Vom Ursprung und Rapport


Ich möchte Sie zu einer kleinen Reise in die Welt meiner Bilder einladen, Ihnen von ihrer Entstehung und Geschichte erzählen- und vielleicht werden dann ihre Sinne, beispielsweise die Fassade ihres Hauses, anders wahrnehmen als bisher.
Irgendwann einmal begannen gewöhnliche Baustoffe in ihrer Ursprünglichkeit eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich auszuüben. Irgendwann lange zuvor war mein Zugang zur Erde unmittelbarer, als in meinem heutigen städtischen Dasein. Dieser Zugang ging jedoch nicht verloren. Vielmehr stellte ich fest, dass mein Blick zunehmend an den Strukturen dieser Erdabkömmlinge haften blieb. Sie wurden für mich zu Sprachen, und weckten die Experimentierfreude eines Kindes.
Und je mehr ich mich von diesen scheinbar unscheinbaren Substanzen (denn was hat es denn mit so lebloser Materie wie Putz, Zement oder Graphit schon auf sich?), die uns lautlos und dennoch bestimmt umgeben, verführen lies, desto größer wurde die Faszination, die von mir Beschlag nahm.
Der Drang diesen Stoff bis ins Detail zu erkunden, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, eine Sensibilität für dessen Eigenheiten zu entwickeln, ihn in einem anderen ungewohnten Kontext zu transportieren, lässt in dem Arbeitsprozess viele Ausdrucksebenen entdecken und neue individuelle Formsprachen erreichen. Die sich offenbarenden Möglichkeiten des Materials lösen eine Kette von Interaktionen Assoziationen und Gefühle aus und stellen die ursprünglichen Intentionen oft in Frage.  Dieser Weg der Auseinandersetzung zwischen mir und der Materie ist mit der anfangs endlos erscheinenden Ellipsen eines Bumerangs vergleichbar Pigmente, Öl, Wachs, Graphit, sowie verschiedene Baustoffe werden schichtweise auf Pappsegmente aufgetragen; es entstehen Streifen, Wellen, Linien und Formstrukturen, die durch farbliche Kontraste und das Wechselspiel von Hell und Dunkel in ihrer Gegenständlichkeit Raum für Spannung schaffen.
Die so entstandenen Segmente sind für mich die Bausteine für die Komposition der Bilder. Die fertigen Bilder ergeben ein Ganzes, sie sind zugleich Ausschnitte, ein Rapport der eine imaginäre Fortsetzung darstellt, beliebig zusammensetzbar, fortsetzbar und wiederholbar.
Die Fertigstellung einer Kette setzt das Schaffen ihrer Glieder voraus. So spricht ein ehemaliger Goldschmied, schon von Berufs wegen der Detailtreue verfallen. Dessen geheime Leidenschaft besteht jedoch darin, mit seinem Blick Fassaden jeglicher Art zu sezieren und zu überlegen, dass an deren Substanz die Zeit nicht spurlos vorbeigeht.
Diese leblose Substanz, die zerfällt und vergeht, hat eine Geschichte zu erzählen, wenn wir eine Irritation unserer Sinne zulassen und uns von ihnen leiten lassen.
Um die kleine Reise zu beenden, widme ich mich gegenwärtig einem Lichtkorrekturmittel (Black Wrap). Eine geschwärzte Aluminiumfolie, die mir ein fast lichtgraphisches Vorgehen erlaubt analog den Anfängen der heutigen Photographie. Durch Abreibung von unscheinbaren Strukturen, zum Beispiel von Abwasser-Kanaldeckeln, bilden sich „Röntgenbilder“ ab.
Diese strahlen für mich eine starke Faszination und hohe ästhetische Präsenz aus.